Das 15. Jh. bringt ein einschneidendes Ereignis. Das Armutsideal des Franz von Assisi und der heiligen Klara wurde – auch durch päpstliche Regelungen – immer weniger streng ausgelegt. Besitz samt Einkünften daraus wurden nicht im Widerspruch zur Armutsforderung angesehen. Jetzt, ab dem Ende des 14. Jhs., breitet sich aber von Italien aus die sog. Observantenbewegung aus, die zurück zur ursprünglichen franziskanischen Strenge will. Schließlich gibt es seit dem Konzil von Konstanz 1415 innerhalb des Ordens zwei Richtungen – die Konventualen und eben die Observanten. Letztere betreiben mit aller Macht ihre Absicht, die Führung und Betreuung der Klöster zu übernehmen und suchen Unterstützung bei der weltlichen Herrschaft. Die Rückkehr zur Besitzlosigkeit und damit eine mögliche Übernahme des Klosterbesitzes durch Landesherren oder Städte – wie vielfach geschehen – weckt natürlich Begehrlichkeiten, und so finden die Observanten Unterstützung bei der Stadt Ulm.
Argumente der Reformer gegenüber dem Söflinger Kloster sind Verstöße gegen das Armutsideal – einzelne Schwestern haben einen ansehnlichen Privatbesitz –, Klausurverletzungen und der Vorwurf der Zucht- und Sittenlosigkeit. Außerdem wird der Vorwurf der Misswirtschaft erhoben, und das Klostergebäude ist zudem ziemlich heruntergekommen.
Zunächst können sich die Söflinger Klarissen gegen eine Übernahme wehren. Kaiser Friedrich III. stellt ihnen einen Schutzbrief aus, der die Stadt Ulm verpflichtet, „das Kloster in seiner Freiheit nicht zu hindern oder hindern zu lassen und es zu schützen“. Vorerst geht das Klosterleben weiter wie bisher. Doch 1483 erlässt Papst Sixtus IV. eine Bulle: das Ulmer Franziskanerkloster und das Söflinger Klarissenkloster, die sich beide erfolgreich behauptet hatten, kommen mit dem 9. Januar 1484 unter die Aufsicht der Observanten! Der größte Teil des Konvents mit der Äbtissin an der Spitze, die sich nicht unterwerfen wollen, müssen das Kloster verlassen und finden zunächst in Ulm und dann in Günzburg eine Unterkunft. Nach einem zweijährigen Streit gelingt ein Vergleich: Söflingen verbleibt bei den Observanten, diese müssen aber einen Schadensausgleich bezahlen. Die ausgewiesenen Schwestern und die Äbtissin dürfen auf Wunsch zurückkehren – allerdings leben sie jetzt unter einer anderen Äbtissin.
Die Söflinger Klarissen sind also jetzt aus ihrem seitherigen Ordensverband herausgelöst, jedoch wird Söflingen kein armes Kloster – im Gegenteil. Es herrscht nach wie vor ein lebhaftes Wirtschafts- und Geschäftsleben samt den seitherigen Herrschaftsrechten, nur die Zuwendungen an einzelne Schwestern werden untersagt. Und bald schon – 1492 – erfolgt ein nach außen hin sichtbares Zeichen dieser neuen Machtfülle: der Neubau des Klosters, allerdings nicht der Kirche. Diese sollte erst Ausgangs des 17. Jhs. völlig neu erbaut werden.
Nachhaltigstes Ergebnis der Reform von 1484 ist das Herauslösen des Söflinger Klarissenklosters aus dem seitherigen Ordensverband und die Aufnahme in den neu entstandenen Verband der Observanten. In dessen Statuten wird in 5 Kapiteln das klösterliche Leben festgelegt: Sie handeln vom Gehorsam, von der Armut, von der Reinheit, vom Gottesdienst und vom Stillschweigen.
Im Gegensatz zur Zeit vor der Reform wird jetzt z.B. nachdrücklich auf das Einhalten der Forderung nach persönlicher Armut geachtet – keine Schwester darf Privateigentum besitzen. Desgleichen wird der Kontakt der Schwestern zur Außenwelt sehr eingeschränkt: Es gibt keine freie Briefkorrespondenz, und nur kurze Besuche am Sprechgitter sind erlaubt. Auch der Zugang fremder Personen zum Kloster wird genau geregelt. Außerdem wird der klösterliche Gottesdienst in den Mittelpunkt gestellt – er muss allen Dingen vorangehen –, und das Einhalten des Stillschweigens wird nachdrücklich verlangt.
Jedoch wird das Kloster keinesfalls ein armes Kloster, vielmehr gehen das wirtschaftliche Leben und auch die künstlerischen Tätigkeiten nach wie vor weiter. Äußeres Zeichen dafür ist neben einem lebhaften Geschäftsleben samt den seitherigen Herrschaftsrechten der Neubau des Klosters außer der Kirche. In der Fraidel-Chronik ist darüber vermerkt: „1492 hat die Äbtissin M. Elisabeth Reichnerin von neuem und aus dem Grund und viel herrlicher als zuvor das Kloster Söflingen erbauet.“ Diese Klosteranlage sollte in dieser Form dann über 300 Jahre Bestand haben. Ein maßstabsgetreues Modell dieser Klosteranlage hat der frühere Mesner der Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt, Dieter Geiß, zusammen mit seiner Ehefrau in den Jahren 1990 bis 1993 angefertigt. Dieses Modell ist im Söflinger Heimatmuseum im Klosterhof zu bestaunen.
Bemerkenswerte künstlerische Aktivitäten innerhalb des Klosters sind kunstvoll geschriebene und mit beeindruckender Malerei geschmückte Handschriften, die im Ulmer Stadtarchiv oder in verschiedenen Staatsbibliotheken zu bewundern sind. Gleichzeitig gibt es eine reichhaltige Holzschnittproduktion, von der noch zwei Holzstöcke im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu finden sind.